Eine Premiere für Österreich

Von Wolfgang Nagorske

Nein, nein, nicht die sich seit Tagen erhöhenden Infektionszahlen bestimmten in der vergangenen Woche das Gesprächsthema in unserem Nachbarland an der Donau. Von der sich wieder ausbreitenden Pandemie sind die Menschen dort ebenso genervt wie hierzulande. In der sich ebenfalls steigernden Kritik an das Krisenmanagement der Politik finden sich dort ähnliche Stimmungen, wie in den deutschen Landen. Doch plötzlich ließ der Ausgang der Bürgermeisterwahl in der zweitgrößten Stadt Österreichs die Diskussionen um Inzidenz und Hospitalisierungsraten verstummen. Was ist geschehen? Zum ersten Mal in der Geschichte wird Graz von einer kommunistischen Bürgermeisterin regiert. Was hat Elke Kahr, so heißt die nun regierende Frau im Rathaus der 300 000 Einwohner zählenden Stadt anders gemacht, als die anderen Kandidaten um das Bürgermeisteramt?  Die politische Sensation eines im ansonsten oft konservativen Österreich kommt nicht von heute auf morgen. Es sei der Höhepunkt eines langen Prozesses, sagt der Politikwissenschaftler Manès Weisskircher von der Universität Oslo. Er hat den Aufstieg der KPÖ in Graz analysiert. Die Partei habe schon lange verstanden, dass es wichtig sei, spürbare Verbesserungen der Lebensumstände voranzubringen. Elke Kahr hat gehandelt und den sattsam bekannten Versprechungen der anderen Parteien, spürbar verbesserte Lebensumstände entgegen gesetzt. "Ich hatte pro Jahr 4.000 bis 5.000 Menschen in meiner Sprechstunde", sagt Kahr. Wo sie konnte, hat sie geholfen. Projekte wie ein Mieternotruf, der Einsatz für Gemeindewohnungen, finanzielle Unterstützung für Mieter bei Rechtsstreitigkeiten setzte sie in die Praxis um. Und vor allem hat sie ein immer offenes Ohr für die Sorgen der Grazer Bevölkerung, vor allem für jene Menschen, denen es nicht so gut geht. Die Wahl mit dem Sturz des langjährigen Bürgermeisters von der ÖVP zeigt, dass die KPÖ auch konservative Wähler anspricht. "Die Wähler sagen, die KPÖ macht Politik, wie sie sein soll. Keine Insignien der Macht, jederzeit erreichbar, keine Abgehobenheit", sagt der Grazer Politologe Heinz Wassermann. Vielleicht sollte sich eine Delegation der deutschen Linken mal auf nach Graz machen.


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