Die gelähmte EU

Von Wolfgang Nagorske

Wieder Streit zwischen der EU und Polen. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hatte im Juli entschieden, dass die polnische Diziplinarkammer für Richter den Gesetzen der EU widerspricht. Da das Gremium nicht alle Ansprüche an die Unparteilichkeit und Unabhängigkeit von Richtern erfülle, müsse es aufgelöst werden. Jetzt forderte die EU-Kommission den EuGH nun auf, gegen Polen ein tägliches Zwangsgeld zu verhängen, solange die vom Gericht verhängten Maßnahmen nicht vollständig umgesetzt würden. Die Disziplinarkammer hatte die national-konservative Regierung Polens im Zuge einer Justizreform gebildet. Die EU sieht diese Kammer als einen fundamentalen Angriff auf die Freiheit und Unabhängigkeit der Justiz, vor allem auf die Rechtsprechung der Gerichte. Eine Entscheidung über die umstrittene Disziplinarkammer liegt beim polnischen Verfassungsgericht an. Es geht um die Frage, ob das europäische Recht über dem polnischen Recht steht. Nach geltenden EU-Verträgen ist dies der Fall. Dieser Dauerstreit zwischen der EU und Polen aber auch mit Ungarn, berührt eine Kernfrage des Bündnisses der 27 europäischen Staaten. Wie weit darf das europäische Recht in das jeweilige nationale Recht eingreifen? Die relativ neu zur EU gehörenden osteuropäischen Staaten vergleichen nicht selten die Angriffe aus Brüssel mit jenen aus Moskau, als man noch dem Warschauer Pakt angehörte. Und eine weitere ungelöste Frage lähmt die Europäische Union. Alle wesentlichen Entscheidungen müssen einstimmig erfolgen. Während in allen 27 Mitgliedstaaten das Mehrheitsrecht gilt, kann in der EU eine Gegenstimme ein geplantes, gemeinsames Projekt von den 26 anderen Staaten zu Fall bringen. So wird auch der jüngste Vorstoß gegen die polnische Disziplinarkammer im Sande verlaufen, denn Ungarn hat die Drohung der EU an Polen im Justizstreit scharf kritisiert. Gegen Polen Strafzahlungen zu verhängen, sei "arrogant" und inakzeptabel, erklärte Justizministerin Judit Varga. Der Vorschlag sei ein "bösartiger Angriff". Ungarn stehe an der Seite Polens.


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