Das Desaster von Kabul

Von Wolfgang Nagorske

Als im April US-Präsident Joe Biden zur Überraschung aller NATO-Staaten, den Abzug der in Afghanistan stationierten US-Einheiten verkündete, wollte im Brüsseler Hauptquartier der NATO niemand so recht daran glauben. Hatte Biden doch im Wahlkampf seinen Rivalen Donald Trump belächelt, als dieser bereits den Rückzug der US-Truppen aus Afghanistan ankündigte. Präsident Trump bezeichnete den Konflikt am Hindukusch als eine Dauerfehde zwischen rivalisierenden Stammeshäuptlingen, wo amerikanische Soldaten einen sinnlosen Tod fanden. Und nun diese Wende, ohne offensichtlich die militärischen Partner informiert zu haben. Allen war klar, dass ohne Washington die so genannte demokratische Regierung in Kabul nicht zu halten war. Die islamistische Rebellenarmee Taliban organisierte bereits ihren Marsch auf die afghanische Hauptstadt. Statt unverzüglich mit dem Rückzug der Bundeswehr zu beginnen, wurden zunächst die Geheimdienste befragt, wie viel Zeit noch bliebe. Die Antwort klang beruhigend: Man habe noch genug Zeit. Weit gefehlt, die auch von der Bundeswehr seit fast 20 Jahren ausgebildete afghanische Armee, stellte sich nicht gegen die Taliban zum Kampf und handelte nach der Devise: Rette sich wer kann. Als die Islamisten nahezu widerstandslos vor Kabul stehen, war der vom Westen unterstützte Präsident Ghani mit 170 Millionen Dollar im Gepäck bereits nach Katar geflohen. Kabul versinkt im Chaos. Mitten drin viele Deutsche und deren afghanischen Helfer in den vergangenen 20 Jahren. Alle wollen zum Flughafen, alle wollen raus. Ein geordneter Rückzug ist nicht mehr möglich. Die Bundesregierung steht vor einem Desaster. Die vergangenen Wochen stehen für ein Totalversagen. Die zuständigen Minister verweigern die Verantwortung. Es bleibt die Frage: Was haben wir 20 Jahre in Afghanistan gesucht?


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