Wo Menschenleben so billig waren wie Brombeeren

Von Wolfgang Nagorske

Vor 80 Jahren begann ein Krieg, den die Menschheit in seiner Dimension, in seiner Ausrichtung und in seiner Brutalität bisher nicht gekannt hatte. Das faschistische Deutschland überfiel die Sowjetunion in breiter Front von der Ostsee bis zum Schwarzen Meer. Drei Millionen Soldaten der Wehrmacht und der Waffen-SS sollten mit einer Blitzkriegsstrategie die Rote Armee im Sturm überrollen. Doch nach zwei Monaten erbitterten Kämpfen an allen Frontabschnitten zeichnete sich ein Scheitern der deutschen Strategie ab. Die Rote Armee wurde zurückgedrängt, aber sie kapitulierte nicht, und jeder Landgewinn in den Weiten Russlands verschlechterte die Versorgung der Truppen. Und nicht nur das: Mit jedem Tag erhöhten sich die Verluste. Die Deutschen verloren bis Jahresende 1941 mehr als 300.000 Mann an Toten. Immer mehr deutsche Soldaten erkannten, dieser Krieg war anders. Die russischen Soldaten wurden nur selten gefangen genommen, sie wurden erschossen. Die Zivilbevölkerung in den eroberten Gebieten, vor allem die jüdische, wurde rücksichtslos ermordet. Der Krieg wurde zum Vernichtungskrieg. Im Hinterland entwickelte die Sowjetunion in fieberhafter Eile neue Waffen und rekrutierte neue Armeen. Aus dem Angriffskrieg wurde ein zermürbendes Rückzugsgefecht. Gut dreieinhalb Jahre später lag das Hitlerregime am Boden. Die Schreckensbilanz zählte 27 Millionen gefallene russische Soldaten, zehn Millionen deutsche Soldaten fanden auf den Schlachtfeldern im Osten ihr Grab. Das Leid der Zivilbevölkerung auf beiden Seiten ist schwer in Worte zu fassen. Wäre die Rückbesinnung auf die Zeit vor 80 Jahren es nicht wert, die gegenwärtige Kälte in den Beziehungen zwischen Deutschland und Russland zu überwinden und neue Wege zu friedlichen Beziehungen zu ebnen? Die Erinnerung an jene Zeit, wo Menschenleben so billig waren wie Brombeeren, wird niemals verblassen. Sie kann aber ein Schlüssel zum besseren Verstehen werden.


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