Verwirrende Erkenntnis von Herrn Maas

Von Wolfgang Nagorske

 

Als vor 75 Jahren Soldaten der Roten Armee das Vernichtungslager Auschwitz befreiten, bot sich ihnen ein Anblick des unvorstellbaren Grauens. In weniger als drei Jahren ermordeten hier Sonderkommandos der faschistischen SS mehr als eine Million europäische Juden. Diese Schuld des deutschen NS-Staates darf niemals in Vergessenheit geraten. Wenn jetzt eine veröffentlichte Studie zu der Erkenntnis kommt, dass jeder Vierte Deutsche Vorurteile gegenüber jüdischen Menschen hegt, dann stimmt das mehr als nachdenklich. Aber wenn der deutsche Außenminister Heiko Maas seinerseits zu der Erkenntnis kommt: Jetzt ist die Politik gefordert, dann hinterlässt das mehr als nur ein Hauch von Verwirrung. Zum einen fragt man sich, wer denn sonst hat die Machtmittel sich gegen diesen beschämenden Trend zu wehren als der deutsche Staat? Soll das der Schaffner im ICE tun oder die Frau an der Kasse eines Supermarktes? Tatsache ist, das die Bundesrepublik von Anfang an falsche Signale gesetzt hat. Warum wurden Leute, die im Nazi-Staat an vorderer Front standen nicht vor Gericht gestellt? Zum Beispiel Hans Globke, der im Reichsinnenministerium, Mitverfasser und Kommentator der Nürnberger Rassegesetze und verantwortlicher Ministerialbeamter für die judenfeindliche Namensänderungsverordnung war. Nach dem Ende des Nazi-Regimes war Globke Chef des Bundeskanzleramtes unter Kanzler Konrad Adenauer. Oder Kurt-Georg Kiesinger. Er leitete den nationalsozialistischen Rundfunk unter Joseph Goebbels. Kiesinger brachte es später sogar bis zum Bundeskanzler. Hier wurde die Saat wieder gelegt. Der Antisemitismus in Deutschland und der Welt ist von seiner Entstehung vor Jahrhunderten bis heute eine komplexe und komplizierte Erscheinung, die ihre schrecklichste und unvorstellbarste Ausprägung in der Zeit des deutschen Faschismus erlebte. Deshalb ist es richtig, dass Signale judenfeindlicher Aktionen bei uns sensibler wahrgenommen werden. Man darf gespannt sein, welche Weichen Herr Maas gegen die Judenfeindlichkeit stellen wird. Mit einer Kranzniederlegung an einer Synagoge kann es wohl nicht getan sein.


Wir nutzen Cookies auf unserer Website. Einige von ihnen sind essenziell für den Betrieb der Seite, während andere uns helfen, diese Website und die Nutzererfahrung zu verbessern (Tracking Cookies). Sie können selbst entscheiden, ob Sie die Cookies zulassen möchten. Bitte beachten Sie, dass bei einer Ablehnung womöglich nicht mehr alle Funktionalitäten der Seite zur Verfügung stehen.