Eine neue Hymne für Deutschland?

Von Wolfgang Nagorske

 

Die Deutschen und ihre Hymne. Das ist schon mehr als ein Kreuz. Aus 300 deutschen Staaten bestand das Heilige Römische Reich deutscher Nation im 17. Jahrhundert. Wer sich nach dem Wiener Kongress 1815, von Köln nach Königsberg aufmachte, musste Geduld aufbringen. Auf der Strecke standen 80 Zollstationen. Und fast jedes Fürstentum hatte sein Lied. Als beim Hambacher Fest 1832 alle deutschen Volksgruppen ihre Lieder sangen, stellten die Teilnehmer fest, dass eines fehlte. Das einigende Lied, das alle Deutschen vereinte. Elf Jahre später war es da, das Lied der Deutschen. Heinrich Hoffmann von Fallersleben dichtete es auf der damals britisch besetzten Insel Helgoland. Die Melodie übernahm er von Joseph Haydn, dessen Kaiserquartett von 1799 sehr bald zur österreichischen Hymne wurde. Sein „Deutschland, Deutschland über alles“ formulierte keinen Großmachtanspruch, sondern den Wunsch der Deutschen nach einem vereinten Deutschland. Kein Preußen über alles, kein Sachsen über alles, sondern Deutschland sollte es sein, das über allen größeren und kleineren Königreichen, Grafschaften und Fürstentümer steht. Dieses Lied kam bei den Herrschenden von der Maas bis an die Memel, der damaligen West-Ost Ausdehnung der deutschen Landen nicht gut an. Vor allem in der Liedzeile „Einigkeit und Recht und Freiheit für das deutsche Vaterland“ witterten sie einen Angriff auf ihre gottgegebenen Privilegien. Man tat alles, um den Einfluss dieses Liedes der Deutschen zurück zu drängen. Hoffmann von Fallersleben erlebte zwar, dass Deutschland 1871 nach drei Kriegen als einheitliches Kaiserreich gegründet wurde, doch sein Lied der Deutschen wurde nicht die vom Volk ersehnte Hymne. Heil Dir im Siegerkranz sangen die Deutschen nun an Kaisers Geburtstag und am Sedan-Tag. Erst 51 Jahre später wurde das Deutschlandlied zur inoffiziellen Hymne. Die Nazis wollten es dann wieder abschaffen und dafür ihr Parteilied „Die Fahne hoch“ inthronisieren. Da gab es in den eigenen Reihen Streit und im Vorfeld der Olympischen Spiele von 1936 einen Kompromiss. Zuerst die 1. Strophe des Deutschlandliedes und danach die Fahne hoch. Nach dem 2. Weltkrieg konnten die Völker der Welt „Deutschland, Deutschland über alles“ nicht mehr hören. Während in der Bundesrepublik dann die 3. Strophe zur Hymne wurde, schuf sich die DDR ein neues, eigenes Lied von Johannes R. Becher und Hanns Eisler, das man 20 Jahre später nicht mehr singen durfte wegen der Zeile „Deutschland einig Vaterland“. Nach der Wiedervereinigung wurde die recht schöne DDR-Hymne abgeschafft. Nun will der Thüringer Ministerpräsident Bodo Ramelow eine vollkommen neue Hymne für Deutschland. Lassen wir es gut sein. Es singt doch ohnehin keiner mehr die Hymne.


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