Journalismus aus der Maschine

Von Wolf Zeike

 

Es ist heute bereits keine Seltenheit, dass Nachrichten von einer Maschine geschrieben werden. Selbst Nachrichenagenturen in aller Welt bedienen sich Textgenerierungssysteme, die dank künstlicher Intelligenz Artikel entwerfen können. Vorausgesetzt, diese Maschinen werden entsprechend mit Fakten und Wortspielen gefüttert. Ich ahne, welche Texte das sein können: Zum Beispiel Beipackzettel von Arzneimitteln. Diese so wunderbar leicht und verständlich in einer Mini-Schriftgröße über mehrere gefaltete Seiten geschriebenen Erklärungen und Erläuterungen. Diese sprachlichen Erläuterungen lassen den Patienten in aller Regel verständnislos und kopfschüttelnd zurück. Ärzte raten, bitte nicht lesen, sofort wegwerfen. Oder Unternehmensberichte. Auch die lesen sich so wunderbar leicht und ebenso wunderbar verständlich. Jüngst platzte auf einer Aktionärsversammlung eines deutschen Konzerns einem Aktionär der Kragen. Er hätte gern gewusst, wer den Bericht zur aktuellen wirtschaftlichen Lage verfasst hätte und ob man diesen Bericht auch ins deutsche übersetzen könne. Hörbares Gelächter im Saal und zustimmendes Klopfen an den Tischen, im Präsidium ungläubige Blickkontakte und ein spürbar gequältes Lächeln. Dann ging man zur Tagesordnung über. Zu meinem Entsetzen bestätigte mir ein Bekannter, der in einer Agentur arbeitet, dass Sportberichte in einer Kurzfassung von Maschinen ausgeworfen werden. Diese benötigen nur noch die Namen der Mannschaften, die Reihenfolge der Torschützen und die Zuschauerzahlen. Dann geht die Maschine an die Arbeit und liefert die gewünschte Zeilenlänge. Ja, natürlich, räumte mein Bekannter ein, die Texte haben schon eine gewisse Ähnlichkeit, aber es sei noch niemandem aufgefallen. Und außerdem sei ein Schreibroboter letztendlich preisgünstiger als ein Journalist. Das ist des Pudels Kern. Man sollte auch die auffällige Lethargie der Leser nicht überstrapazieren. Die Textmaschinen werden mit Sicherheit immer weiter entwickelt. Aber auch das Urteilsvermögen der Konsumenten verharrt nicht in Stillstand. Zu Albrecht Dürers Zeiten gab es noch keine Journalisten, aber über den Stand der Uhrmacher sagte er, eine Maschine wird ihn niemals ersetzen.


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